Verletzungen und Verletzungsprävention im Handball
Welche Verletzungen sind im Handball typisch?
Wie kann das Verletzungsrisiko gesenkt werden – und welche Maßnahmen gibt es?
Im Handball kommen Verletzungen der unteren Extremitäten besonders häufig vor. Hierbei sind vor allem das Knie und das Sprunggelenk betroffen. Das Risiko dieser handballtypischen Verletzungen lässt sich jedoch durch einfach durchzuführende Warm-Ups nachweislich um etwa die Hälfte senken. Darüber hinaus sind auch weitere Maßnahmen zur Prävention sinnvoll, um Handballer*innen vor Verletzungen zu schützen.
Zahlen zu Verletzungen im Handball
Handball liegt auf Rang 7 der mitgliedstärksten Sportfachverbände in Deutschland. Kommt es im Handball zu einer Sportverletzung, so geschieht dies besonders oft im Bereich der unteren Extremitäten. Zu 24% ist dabei das Kniegelenk, zu ca. 17% das Sprunggelenk und zu mehr als 5% der Unterschenkel betroffen. Ein Viertel der Verletzungen betreffen die oberen Extremitäten. Hierbei sind die Hand mit 18,5% und der Kopf mit 16,6% am häufigsten von Verletzungen betroffen. Internationale Studien zeigen darüber hinaus, dass Oberschenkelverletzungen, die meist die Muskulatur betreffen, relativ häufig vorkommen. Sie werden aber in Deutschland seltener gemeldet, da sie oftmals weniger schwer sind.
Rupturen (37%) und Frakturen (34%) sind im Handball die häufigsten Verletzungsarten. Mit 19% ist hierbei das Kniegelenk und mit 9% das Sprunggelenk von Rupturen betroffen. Neben Rissen des Kreuzbandes oder komplexen Verletzungen des Kniegelenks ereignen sich häufig allgemeine Verletzungen des Kapsel- und Bandapparates. Knochenbrüche treten häufig im Bereich der Hand oder des Kopfes auf. Im Bereich der Hand sind vor allem die Finger mit ca. 10% betroffen, am Kopf sind es häufig Frakturen des Gesichtsschädels mit mehr als 5%.
Die Verletzungsschwere im Handball ist hoch. Mehr als 65% der Verletzungen haben eine Sportpause von mehr als 28 Tagen zur Folge. Bei ca. 24% der gemeldeten Unfälle ist eine Pause von 8-28 Tagen notwendig.
Wie kann das Verletzungsrisiko im Handball gesenkt werden?
Zahlreiche Studien belegen, dass Trainings- und Aufwärmprogramme zur Prävention von Verletzungen im Handball wirksam sind. Die wichtigsten Programme und ihre Besonderheiten werden hier kurz vorgestellt.
Zur Verletzungsreduktion im Bereich der unteren Extremitäten, insbesondere von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, trägt das neuromuskuläre Aufwärmprogramm „Kniekontrolle“ bei. Wir meinen, es sollte Teil eines jeden Aufwärmprogramms sein. Das Programm ist als kostenfreie App und auch im Web erhältlich. Mehr Infos hier.
Die vom IOC entwickelte App „GET SET“ enthält eine Vielzahl von Übungen, die Verletzungen im Handball vorbeugen können. Der Schwerpunkt liegt bei Lauf- und Sprungübungen sowie Übungen zur Kräftigung und Ganzkörperstabilisation. Mehr Infos hier.
Die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) stellt umfangreiche Informationen zum Thema Verletzungsprävention im Handball bereit. In ihrer Broschüre „Das 4×4 des Handballs“ stellen sie ihr präventives Trainingsprogramm vor. Dieses umfasst Übungen aus den Bereichen Stabilisation & Kräftigung, Mobilisation & Beweglichkeit, Schulterkontrolle sowie Beinachsenkontrolle & Landung. Natürlich darf bei diesem allumfassenden Programm das Cool-down und die Regeneration nicht fehlen. Mehr Infos hier.
In der Schweiz wurde das Programm Sports Basic von der suva entwickelt, das Verletzungen im Handball vorbeugen soll. Schwerpunkte des Programms sind Übungen, die die Kraft und Stabilisation verbessern und das Gleichgewicht schulen. Das Programm bietet darüber hinaus Hintergrundinformationen zur Verletzung und deren Prävention in der Schweiz. Hier geht es zur Website.
Unser Fazit
Viele der vorgestellten Programme ähneln sich auf den ersten Blick. In den meisten Programmen wird das normale Aufwärmen durch ein handballspezifisches, präventives Warm-up ersetzt und setzen dabei auf Übungen aus den Bereichen Mobilisation & Beweglichkeit, Stabilisation & Kräftigung und Koordination. Hierbei liegt vor allem der Fokus auf Übungen wie Sprünge, Unterarmstütz, Einbeinstand und deren Variationen. Ein wesentlicher Schwerpunkt neben der Mobilisierung des Schultergürtels ist die Beinachsenstabilität. Diese wird durch sensomotorische Übungen verbessert. Auch die Rumpfstabilität sowie die Schulterkontrolle werden bei den meisten Programmen gezielt angesprochen.
Klar: Prävention muss auch Spaß machen, um zu funktionieren. Präventive Übungen können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie richtig und vor allem regelmäßig durchgeführt werden. Deshalb unser Tipp: Schauen Sie sich die Programme an und probieren Sie sie mit Ihrem Team für einige Trainingseinheiten aus. Denken Sie daran, die Übungen der Leistungsfähigkeit Ihrer Spieler*innen anzupassen und streuen Sie immer wieder Variationen ein.
Schutzausrüstung im Handball
Der richtige Sportschuh bietet bereits Schutz vor Verletzungen. Daher sollten ausschließlich Hallensportschuhe, wenn möglich spezielle Hallenhandballschuhe verwendet werden. Das Profil der Sohle sollte griffig sein und bei linearen und lateralen Bewegungen Halt bieten, sodass ein Wegrutschen verhindert wird. Nähere Infos hier.
Das Tragen eines Mundschutz bietet nachweislich erheblichen Schutz vor Zahnverletzungen. Er wird nicht nur für das Spiel, sondern auch für das Training empfohlen. Darüber hinaus sollten die Torhüter*innen für das Tragen eines Tiefschutzes sensibilisiert werden. Auch Polster für den Ellenbogen gelten als sinnvoll, um den Aufprall auf dem Hallenboden (z.B. nach Fallwürfen) zu dämpfen. Mehr Infos hier.
Die sichere Turnhalle – Grundlage für sicheres Handballspielen
Nur auf einem richtig behandelten Hallenboden kann sicher Handball gespielt werden. Es ist zunächst Aufgabe des Betreibers, die Halle in Stand zu halten. Aber auch Trainer*innen und Spieler*innen sollten die Halle vor Beginn des Trainings oder des Spiels kurz checken. Denn bei vielen Verletzungen geben Handballer*innen an, dass auch die Bodenverhältnisse zur Sportverletzung beigetragen haben.
Daher ist besonders auf die Gleiteigenschaften von Hallenböden und ihrer Pflege zu achten, welche in der DIN-Norm 18032 verankert sind. Insbesondere durch unsachgemäße, nicht der Norm entsprechende Pflege können sich die Gleiteigenschaften des Bodens ändern. Rutschen die Spieler*innen häufig aus oder stolpern wegen eines zu stumpfen Bodens, besteht Handlungsbedarf. Checkliste zur sicheren Sporthalle hier.
Eine Neuheit ist das „Safe Goal“ im Handball. Dieses unterscheidet sich von den herkömmlichen, festverankerten, starren Handballtoren dahingehend, dass es mit weichen Gewichten gesichert ist und beim Aufprall nachgibt. Somit wird das Verletzungsrisiko für die/den Spieler*in gesenkt. Nähere Informationen zu funktionellen und sicherheitstechnischen Anforderungen von herkömmlichen Handballtoren gibt die DIN EN 749. Darüber hinaus sollten insbesondere mobile Tore gegen Kippen gesichert sein. Auch bei ihrem Transport muss auf die Sicherheit geachtet werden. Nähere Informationen zum sicheren Umgang mit Ballspieltoren bietet eine (leider schon etwas ältere) Broschüre der Sportministerkonferenz. Mehr Infos hier.
Fair Play von Spieler*innen, Trainer*innen und auch Zuschauer*innen
Auch im Amateurhandball kommt es leider immer wieder zu verbaler oder physischer Gewalt auf und neben dem Platz. Obwohl Handball ohne Zweikämpfe nicht denkbar ist, hat jede Form von Gewalt keinen Platz im Sport!
Der Bayrische Handball-Verband versucht mit seiner Kampagne “Fair Play am Spielfeldrand” Eltern dafür zu sensibilisieren, dass sie mit ihrem Verhalten am Spielfeldrand großen Einfluss auf die Spieler*innen haben. Mehr Infos hier.
Betreuung und Begleitung von Handballer*innen durch Fachleute wie Mediziner*innen oder Physiotherapeut*innen
Im Handball betreffen über 16 Prozent aller Verletzungen den Kopf. Daher ist richtiges und besonnenes Handeln besonders dann wichtig, wenn der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung besteht. Auch medizinische Laien können Mithilfe der „Taschenkarte“ schnell und einfach erkennen, ob die Möglichkeit einer Gehirnerschütterung besteht. Ein ärztliche Abklärung sollte im Zweifelsfall immer erfolgen. Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um die Heilungschancen zu verbessern, aber auch, um das sogenannte Second Impact-Syndrom zu vermeiden, bei dem es durch eine weitere Gehirnerschütterung zu dramatischen gesundheitlichen Folgen kommen kann. Mehr Infos hier.
Sporttauglichkeit: Eine ärztliche Abklärung sollte erfolgen, wenn der Verdacht besteht, dass Sportler*innen nicht sporttauglich sind. Durch angeborene oder erworbene Herzfehler oder akute Entzündungen des Herzmuskels kommt es auch bei jungen Sportler*innen immer wieder zu Todesfällen während des Sports. Aber auch nach Sportverletzungen sollte auf Nummer sicher gegangen werden und die Sporttauglichkeit überprüft werden.