Reportage: „In der Luft kann man nicht abbrechen“

Reportage: „In der Luft kann man nicht abbrechen“

Das Dortmunder Superfly ist Branchenprimus. In wenigen Hallen wird Sicherheit so konsequent umgesetzt und gelebt wie hier. Wie der Spaß trotzdem nicht zu kurz kommt, erzählte uns Area Manager Mirko Waldmann.

Ein Traumjob. Fliegende Kinder, leuchtende Kinderaugen, jeden Tag. Mirko Waldmann macht einen zufriedenen Eindruck. Der Fitness Fachwirt hat seine Superfly Halle im Dortmunder Gewerbegebiet gut im Griff. Waldmann ist Area Manager für fünf Superfly Hallen (von 10 bundesweit) und hat besonders in Dortmund die Sicherheitsstandards stark hochgefahren – sozusagen als Best Practice für die anderen Standorte des Unternehmens. Zudem ist er Mitglied im deutschen DIN-Ausschuss Trampolinparks. Ein Fachmann also, der die Details kennt und keine Sicherheitskompromisse eingeht.

Viertel vor neun, Samstagmorgen. Energiegeladene Kinder und bettschwere Eltern versammeln sich vor der Halle. Um neun Uhr startet „Kids Flight“ für Kinder bis zum achten Lebensjahr. Vor dem Sturm auf die Trampoline steht allerdings einiges Prozedere. Zunächst müssen die Teilnehmer*innen sich registrieren und die Haftungshinweise lesen und akzeptieren. Das geschieht elektronisch an Terminals im Eingangsbereich. Nach dem Umkleiden (inklusive Stoppersocken) kommen Kinder und Eltern an eine Schleuse. Hier führt eine Mitarbeiterin alle halbe Stunde eine Sicherheitseinweisung durch. Und weil das trotz aller Mühe langweilig ist – wir denken an überroutinierte Flugbegleiter*innen – wird sie von einem kleinen, peppigen Film unterstützt. Erst dann öffnen sich die Eingänge und die Kids dürfen hüpfen.

Schiedsrichter kennt jeder

130 Personen dürfen maximal auf die Fläche. Hier befinden sich bis zu vier Mitarbeiter*innen, die die Springenden im Auge behalten. Werden Regeln nicht eingehalten – etwa, wenn jemand eine andere Person wegbounct –, kommt die Pfeife und die Ermahnung zum Einsatz. Eine hübsche Idee: Alle Mitarbeiter*innen tragen Referee-Shorts. In der Tasche führen sie eine gelbe und rote Karte mit sich, die sie bei Bedarf mit strenger Miene zücken. Das kennt jedes Kind, das wird beachtet. „Und wenn nicht, droht der Hallenverweis“, so Waldmann.

Waldmann zeigt seine Halle und führt durch die technischen Sicherheitsmaßnahmen: „1,5 Meter Fallschutz sind jeweils eingerechnet. Heißt, alle Kanten, Ecken, Gegenstände in diesem Umkreis sind verkleidet.“ Jeden Tag findet ein Daily Check statt. Jede*r Mitarbeiter*in muss in der Lage sein, ihn anhand einer Checkliste durchzuführen. Montags gibt es einen längeren Intensivcheck, denn an diesem Tag hat die Halle geschlossen. Einmal im Jahr wird die Halle von einem Sachverständigen gecheckt.

Das sind hohe technische Sicherheitsanforderungen, die Mirko Waldmann schlau über die Sozialen Kanäle nach außen streut. Bei fast 77.000 Followern allein auf der Dortmunder Facebookseite ist die Reichweite und damit die Durchschlagskraft für Botschaften enorm: Allein die geposteten Fotos von glücklichen, Salto-schlagenden Menschen zeigen, dass Spaß, Coolness und Sicherheit zusammengehen können. Die Bewertungen auf Facebook sind überwiegend positiv, und manche Fans stellen in ihren Kommentaren die hohe Sicherheit heraus. „Aber es gibt auch negative Bewertungen. Hintergrund ist oft, dass die Menschen die eigene Verantwortung abschieben wollen.“

Der Faktor Mensch

Ach ja, die Menschen. Der unsichere Faktor bei allen Sicherheitsbemühungen. „Wie kann ich die Handlungen der Menschen führen?“, fragt sich Mirko Waldmann, „eine Frage, die wir auch im DIN Normungsausschuss diskutieren.“ Im Superfly liegt der Fokus auf den Mitarbeiter*innen. Um abschätzen zu können, ob Springende sich aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen vielleicht verletzen könnten, bekommen die Kolleg*innen einmal im Jahr eine Trampolinschulung durch eine*n Trainer*in des Deutschen Turnerbundes. Fehlt vielleicht die Körperspannung bei Sprüngen? Dann erhöht sich das Verletzungsrisiko, und die Person muss intensiver beobachtet werden.

Wichtig ist aber auch das soziale Agieren der Gäste. „Wir achten auf die Gruppendynamik. Es darf keine Knubbelbildung geben. Die Kleidung muss kontrolliert werden, keine Ohrringe. Für muslimische Frauen und Mädchen haben wir spezielle Kopftücher, die mit Gummis gehalten werden. Unsere Mitarbeiter*innen müssen durchsetzungsstark sein, frei reden können, über Empathie verfügen, Fachwissen über Anatomie haben, so dass sie wissen, was das Springen mit dem Körper macht, sowie technisches Fachwissen. Aber – anders im Verein – sind wir passiv. Wir leisten keine aktive Hilfestellung.“

Das Dortmunder Superfly ist ein Branchenprimus. „Andere Hallen sind unsicherer, das schadet der ganzen Branche“, beobachtet er. Und eins ärgert ihn in der Diskussion um die „gefährlichen“ Hallen: die Gartentrampoline. Durch die Trampolinhallen seien deren Verkaufszahlen noch mal gestiegen, doch sie seien viel gefährlicher als die gut bewirtschafteten Flächen etwa eines Superfly. „Fünf Kinder auf einem Sprungtuch – das wäre bei uns undenkbar.“

Eddie (22), Supervisor

Wir haben hier rund 1.000 Besucher am Tag. Die meisten Gäste sind zwischen 8 und 16 Jahren alt. Sie kommen hierher, um Spaß zu haben. Wir sehen, dass die meisten sich wirklich verantwortungsvoll verhalten. Manche vergessen mal die Regeln, merken das aber oft selbst.

Weil jeder Gast wiederum ein Vorbild für die anderen Gäste ist, achten wir sehr auf die Einhaltung der Regeln. Wenn es sein muss, setzen wir auch mal die Pfeife ein. Das ist besser als lautes Schreien in der Geräuschkulisse und dient unserer Autoritär. Die rote und die gelbe Karte sind meist Deko, aber wir setzen sie trotzdem manchmal ein. Das wird halt schnell von allen verstanden.

Justin (21), Student

Ich mache viel risikoreichen Sport: Parcours, Snowboard, Freerunning, Motorrad fahren. Dabei habe ich mich bestimmt schon acht, neunmal heftiger verletzt. Trotzdem ist mir Sicherheit nicht so wichtig – ich weiß aber auch, was ich kann.

Hier in der Halle sehe ich ein hohes Maß an Sicherheit: Die Gegenstände sind gut geschützt, die Sicherheitseinweisung war prima, es sind genug Mitarbeiter*innen auf der Fläche, die frühzeitig eingreifen und so ein sicheres Springen ermöglichen. Denn ist man erst einmal in der Luft, lässt sich der Sprung nicht mehr abbrechen.

Leslie und Eva (20)

Wir sind zum ersten Mal in einer Trampolinhalle, und wir haben es uns genau so vorgestellt. Hier sind viele Mitarbeiter, die kommen, wenn sie gebraucht werden. Trotzdem hat man auch eine eigene Verantwortung: Wenn eine Fläche zu voll ist, verlassen wir sie selbst.

Sicherheit ist uns eher nicht so wichtig. Normalerweise gehen wir nur ins Fitnessstudio. Hier finden wir es wichtiger.

Sieht gut aus: die Superfly-Unfallquote

Trampolinhallen sind durchaus risikoreiche Sportstätten. „Sicherheitsluft“ nach oben gibt es fast immer. Die Unfallquote im Dortmunder Superfly liegt bei 0,2 Prozent. Am häufigsten knicken die Füße der Springenden um. Auch der Nacken ist beim Trampolinspringen verletzungsanfällig, gerade bei Kindern mit ihren vergleichsweise schweren Köpfen.

Von rund 10 Unfällen muss einer ärztlich behandelt werden.

Superfly definiert als Unfall, wenn die Person anschließend nicht mehr weiterspringen kann. Menschen, die humpeln, bekommen ein Kühlpack – aber auch das ist im Unfallbogen schon aufnahmepflichtig.

Julia Fitzek | | 0 Kommentar(e)
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