„Warum hinkt Deutschland bei der Prävention von Verletzungen im Sport meilenweit hinterher?“

Deutschland ein Entwicklungsland? Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist wohl den meisten klar: im Bereich der Digitalisierung an Schulen (aber nicht nur dort) hat Deutschland noch großen Nachholbedarf. Aber nicht nur dort!

Seit Jahren machen Fachleute darauf aufmerksam, dass auch die Prävention von Sportverletzungen bei uns immer noch in den Kinderschuhen steckt. Überall, werden Sie fragen? Nein, es gibt einzelne Bereiche, in denen das Thema heute schon teils mit guten Erfolgen bearbeitet wird.

Allen voran der Profisport, also die bezahlten Sportler in den ersten Ligen der Sportarten Fußball, Handball, Basketball und Eishockey. Hier hat die VBG als zuständige Berufsgenossenschaft gute Möglichkeiten, die Prävention von Verletzungen voranzutreiben. Nur: Auch wenn die Verletzungsquote bei den Profis extrem hoch ist, sind es doch absolut wenige Verletzungen, weil es eben nur einige Tausend Sportler sind.
Auch für die Kinder und Jugendlichen in Kitas und Schulen sowie die Studierenden an Hochschulen gibt es eine klare Zuständigkeit: Hier bemühen sich die Unfallkassen unter dem Dach der DGUV, die Zahl der Verletzungen bei Sport und Bewegung zu reduzieren. Dennoch muss konstatiert werden, dass die Unfallzahlen in diesem Bereich nach wie vor zu hoch sind. Das mag auch an der schieren Größe und der Trägheit des Systems Schule liegen …

In allen anderen Bereichen, in denen Sport und Bewegung betrieben werden, gibt es hingegen keine Zuständigkeit für die Prävention von Unfällen und Verletzungen. Und das obwohl in diesen „Settings“ mehr als 30 Millionen Menschen sportlich aktiv sind. Im Vereinssport, in Fitnessstudios, Trampolinhallen und auch beim individuell organisierten Sport ist es aktuell vom Zufall abhängig, ob sich jemand um die Prävention von Sportverletzungen kümmert.

Unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle für Deutschland nötig

Ja, man kann das anders und vor allem besser machen. Andere Länder wie die Schweiz oder auch Österreich machen es vor: Dort gibt es zentrale Anlauf- und Beratungsstellen mit dem Auftrag, sich um Sicherheit im Sport in allen Settings zu kümmern – und dafür auch entsprechend ausgestattet sind.

In Deutschland ist es bisher noch nicht gelungen, eine solche Stelle zu schaffen. Das hat viele Gründe: Zuallererst ist nur der Spitzensport auf Bundesebene klar einem Ministerium zugeordnet. Ansonsten ist Sport Ländersache, was in diesem Fall zu komplettem Stillstand führt … Bis auf einige „gallische Dörfer“ – also Expert*innen, die sich in ihrer Sportart in Forschung oder Praxis engagieren – bewegt sich in Deutschland in Sachen Sportunfallprävention kaum etwas.

Als Stiftung sind wir angetreten, um an diesem Zustand etwas zu ändern. Unzählige Gespräche und zahlreiche Initiativen später müssen wir feststellen: Wir haben immer noch „dicke Bretter zu bohren“. Das Ziel ist aber klar: Nach dem Vorbild der bfu in der Schweiz braucht auch Deutschland eine unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle, die die Sportunfallprävention in den verschiedenen Settings des Sports vorantreibt und Deutschland bei diesem wichtigen Thema endlich professionell aufstellt.

David Schulz | | 0 Kommentar(e)
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