Verletzungspech – ein weit verbreiteter Irrglaube

Verletzungspech – ein weit verbreiteter Irrglaube

Beharrlich werden Sportverletzungen in Medien als „Pech“ bezeichnet. Doch die meisten Verletzungen bei Sport und Bewegung ereignen sich eben nicht zufällig – und das sollte nicht nur Journalist*innen bewusst sein.

Kürzlich erschien im Tagesspiegel ein Artikel zu Leichtathlet*innen, die verletzungsbedingt nicht zu den Olympischen Spielen nach Tokio fahren werden. „Die deutsche Leichtathletik trifft das gebündelte Unglück“ ist er überschrieben. Doch Fachleuten ist klar: Tatsächlich sind die meisten Sportverletzungen kein Pech, sondern haben Gründe, die durchaus beeinflussbar sind, wie z.B. zu hohe Intensitäten, Übertraining, Nichtbeachtung von körperlichen Warnsignalen, Verstoß gegen sportliche Regeln oder auch psychische Faktoren. Selbstverständlich: Ein Artikel, der die deutschen Leichtathlet*innen, die nach Tokio reisen (oder eben nicht) zum Inhalt hat, kann nicht jedes einzelne Schicksal beleuchten. Trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass leider nicht nur Journalist*innen Sportunfälle als Schicksalsschläge oder einfach Pech betrachten. Auch Sportler*innen und Trainer*innen haben oftmals diese Sichtweise. Es fehlt also an Problembewusstsein dafür, dass die meisten Sportverletzungen „hausgemacht“ sind und eben kein Pech.

Und genau da – beim „Wording“ – wird nicht nur in der Sportberichterstattung deutlich, dass das Massenphänomen Sportverletzungen trotz jährlich über zwei Millionen Betroffener nach wie vor vollkommen unterschätzt wird.

Als Stiftung haben wir die Aufgabe , Sportler*innen vor Verletzungen zu schützen. Leider sehen wir jeden Tag, wie wenig in Deutschland über Sportverletzungen bekannt ist und – noch viel schlimmer – wie wenig präventiv getan wird. Warum auch, wenn alle glauben, dass Sportverletzungen Pech sind?

Selbst die Bundesregierung, die den Spitzensport jedes Jahr mit vielen Millionen Euro Steuergeldern fördert, hat bis heute nicht wissenschaftlich untersuchen lassen, wie viele Verletzungen Spitzensportler*innen erleiden und wie viele Medaillenchancen durch diese Verletzungen zunichte gemacht werden. Dabei wird im Spitzensport mit der Währung Medaillen „bezahlt“, und die Bundesregierung sollte eigentlich ein großes Interesse daran haben, dass die eingesetzten Millionen sich auch in Gold-, Silber- und Bronzemedaillen auszahlen.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre – davon sind wir überzeugt – eine zentrale Erfassung und Auswertung von Verletzungen im Spitzensport. Auf dieser Grundlage könnten dann, gemeinsam mit Expert*innen aus dem Spitzensport, passgenaue, sportartspezifische Präventionsmaßnahmen entwickelt werden.

Doch aktuell ist es sehr unwahrscheinlich, dass dieser Weg beschritten wird, da sich die wenigsten Menschen bewusst sind, wie häufig Sportverletzungen vorkommen und was dagegen getan werden kann. Womit wir wieder am Anfang wären…

David Schulz | | 0 Kommentar(e)
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